Fragwürdige Behauptungen

Fragwürdige Behauptungen des RP

Das Regierungspräsidium (RP) Karlsruhe weicht von seinen Planungsgrundsätzen nicht ab. Auch wenn das RP – unter dem Druck von Bürgerinnen und Bürgern – am Mannheimer Rheindamm inzwischen auch „aufwendige Sonderbauweisen“ vorgesehen hat, bleibt es dabei: gleiche Erdbauweise, gleiches typisches Dammprofil, baumfreie Dämme und Zonen, Massenabholzung wie in ganz Baden-Württemberg.


Alle besseren Lösungsvorschläge und guten Argumente schmettert das RP ab. Die Verantwortlichen – auch im Land – scheuen auch nicht davor, unbewiesene Behauptungen aufzustellen, wie: der Damm in Mannheim sei im Land am allerdringlichsten zu sanieren. Oder Ängste zu schüren, wie: Neckarau stehe bei einem Dammbruch binnen weniger Stunden vier Meter unter Wasser. Erstaunlich, denn die deutschen Versicherer schätzen Gebäude in Neckarau als  niedrig gefährdet ein.


Vor allem aber: Sollte der Schutz der Mannheimer Bevölkerung vor Hochwasser tatsächlich stark gefährdet sein, dann muss erst recht die sicherste Lösung her, eine durchgängige Hochwasserschutzwand aus Stahl.


Hier haben wir einige Beispiele für die zweifelhaften Behauptungen des RP aufgeführt. 

„Die DIN lässt Bäume auf Dämmen nicht zu."


Das RP begründet die geplanten Rodungen mit der DIN 19712 „Hochwasserschutzanlagen an Flussdeichen“. Danach sind Gehölze auf Deichen grundsätzlich nicht vorgesehen.


Doch die DIN lässt Ausnahmen und damit Bäume auf Dämmen sogar ausdrücklich zu, insbesondere bei bestehenden Dämmen. Auch die alternative Sanierungsmethode, die baumerhaltende Hochwasserschutzwand, ist nach der DIN erlaubt.

„Die DIN ist ein Gesetz."


Egal um welche Hochwasserschutz-Lösung es geht, laut RP müssen die Bäume weg. Das stehe so in der DIN 19712, heißt es. Und die DIN sei anzuwenden, betonte Armin Stelzer, der zuständige Referatsleiter beim RP wiederholt. Erst bei der Bürger-Informationsveranstaltung im September 2019 räumte er ein, dass eine DIN-Norm kein Gesetz ist, sondern eben nur eine Empfehlung. 


Entwickelt wurde dieses Regelwerk ausschließlich von Ingenieuren. Verabschiedet wurde es 2012, also vor fast zehn Jahren. Das Wissen und die Erfahrungen von Baumsachverständigen, insbesondere Baumstatikern, und von Klimaforschern sind darin nicht eingeflossen. Heute leben wir in einer Welt, in der die Folgen der Klimakrise nicht mehr zu übersehen sind. In einer Welt, in der jedes Kind die Bedeutung von Bäumen für das Klima kennt. Ein gewichtiges Argument, nicht nur an die DIN (und an die DWA-Merkblätter als weitere Handlungsempfehlungen) zu halten, sondern zusätzliche Experten heranzuziehen.


Höchst interessant ist übrigens, wie der DIN e.V. um Mitglieder wirbt: „Unternehmen, die eine Norm mitgestalten, können ihre Prozesse, Produkte oder Dienstleistungen von Anbeginn daran ausrichten. Wenn Sie sich also an Normung und Standardisierung beteiligen, nutzen Sie ein wesentliches strategisches Mittel, um den Erfolg Ihres Unternehmens voranzutreiben.“

„Umstürzende Bäume könnten Rettungskräfte erschlagen."


Die Bäume müssten – selbst bei Einsatz einer durchgängigen Spundwand – wegen der notwendigen Dammverteidigung weichen, so das RP. Denn bei wochenlang stehendem Hochwasser und gleichzeitig schwerem Sturm könnten sie umfallen, den Dammverteidigungsweg blockieren oder Rettungskräfte erschlagen. 


Mit einer standsicheren Spundwand ist eine Dammverteidigung laut dem Wasserbau-Ingenieur Christian Schmidt aber gar nicht notwendig. Ein Dammbruch ist bei dieser Sanierungsmethode ausgeschlossen. 


Außerdem sichert die auch bei Stadtbäumen übliche Baumpflege und -kontrolle (am Rheindamm bereits vorhandenen) Betriebs- und Verkehrswege, so Schmidt. Darüber hinaus stabilisieren viele Baumarten mit ihren Wurzeln den Damm, wie der langjährig erfahrene Baumgutachter Dr. Lothar Wessolly weiß.


Da der Dammverteidigungsweg das Hauptargument des RP für den geplanten Kahlschlag ist, gehen wir dazu in einem eigenen Kapitel Dammverteidigungsweg  ausführlicher darauf ein.


„Bei Überströmung muss der Damm mit Sandsäcken aufgestockt werden."


Eine Überströmung ist in der Planung nicht vorgesehen. So schreibt der Wasserbau-Ingenieur Christian Schmidt in seiner Machbarkeitsstudie: „Der Damm hat bereits eine ausreichende Höhe, weshalb eine Dammerhöhung nicht notwendig ist.“


Der zugrunde gelegte Bemessungswasserstand wurde in einer Ländervereinbarung zwischen Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Hessen zum Hochwasserschutz am Rhein festgelegt. Daher darf und wird der Rheindamm in Mannheim auch nicht höher werden. Wäre er zum Beispiel höher als der Damm auf der gegenüberliegenden Rheinseite auf der Parkinsel– wo übrigens eine Spundwand eingesetzt wurde und Bäume stehen – hätte Ludwigshafen bei extremen Hochwasser ein ernsthaftes Problem.


Eine Überströmung ist mehr als unwahrscheinlich. Die Aufstockung eines Damms, in den eine statisch selbsttragende Spundwand eingelassen ist, mit Sandsäcken ist laut Christian Schmidt daher überhaupt nicht erforderlich.


Auf der gesamten Länge des Mannheimer Rheindamms von rund vier Kilometern wäre die - vom RP Karlsruhe vorgesehene - herkömmliche Methode der Deichverteidigung logistisch auch nicht möglich. Denn dafür wären Hunderttausende von Sandsäcken und gleichzeitig Tausende von Helferinnen und Helfern erforderlich. Feuerwehr und Technisches Hilfswerk  mit ihren üblichen Transportfahrzeugen könnten dies nicht leisten. Stattdessen müsste die Bundeswehr mit Hubschraubern zum Einsatz kommen.  Die Bevölkerung müsste evakuiert werden.

„Der Rheindamm in Mannheim ist am dringlichsten zu sanieren."


Nach Angaben des RP müsse der Damm in Mannheim sehr dringend erneuert werden: erstens wegen seines geotechnischen Zustands, zweitens wegen des Schadenrisikos (das „unter Zugrundlegung der Nutzungen im Hinterland“ betrachtet wurde), drittens, weil es keinen „mit schweren Einsatzfahrzeugen durchgängig befahrbaren Dammverteidigungsweg“ gebe (den es bei der alternativen Lösung Hochwasserschutzwand gar nicht geben muss). Daher wurde er vom Land in die höchste Priorisierungsklasse (violett) eingestuft. 


Obwohl die Gefährdungssituation eher niedrig ist?

Ob der seit über einhundert Jahren bewährte Damm tatsächlich über die gesamte Länge von 3,9 Kilometern saniert werden muss, muss das RP erst noch belegen. Vor allem bezweifeln wir stark, dass die Maßnahme so dringlich ist, wie das RP behauptet: Zumal die Versicherer (die Risiken naturgemäß vorsichtig bewerten) das Hochwasserrisiko in den am Rheindamm angrenzenden Stadtteilen Neckarau, Almenhof, Niederfeld und Lindenhof als „niedrig“ bis „mittel“ einschätzen. 


Ein Hochwasser-Check des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft ergibt, dass zum Beispiel ein Haus in der Aufeldstraße in Neckarau, also relativ nah am Damm, noch im grünen Bereich „niedrige Gefährdung“ liegt und ein „eher mittleres Risiko durch Fluss-Hochwasser“ besteht. Hier können Sie den Hochwasser-Check für Ihren Wohnort durchführen: Hochwasser-Check (dieversicherer.de)


 So bestätigte Frank Felgenträger, Leiter der unteren Wasserbehörde der Stadt Mannheim, die über die Pläne des RP zur Dammsanierung zu entscheiden hat, in der Bezirksbeiratssitzung Lindenhof vom 22. Januar 2020: Die Risikokategorie des Damms sei noch zu prüfen.

„Bei einem Dammbruch steht Neckarau vier Meter unter Wasser."


Das RP arbeitet mit Angstmache. Es gehe um „Leib und Leben“, um die Sicherheit von rund 30.000 Bürger, wie es immer wieder vonseiten des Landes und des RP heißt. Ja, darum geht es. Und darum wollen wir eine andere, nämlich die sicherste Lösung: eine Hochwasserschutzwand! Dazu mehr auf der Seite Lösungen mit Baumerhalt.


Insbesondere schürt das RP die Ängste der Anwohner von Neckarau. Laut der Behörde würde der Stadtteil bei einem Dammbruch innerhalb von wenigen Stunden vier Meter unter Wasser stehen. Doch bis heute haben die Planer nicht nachgewiesen, an welcher Stelle oder in welchem Ausmaß der Damm überhaupt brechen könnte. Der Rheindamm in Mannheim ist überwiegend sogar überdimensioniert, also breiter als üblicherweise vorgesehen. Dies stellte sowohl der Deichexperte Dr. Ronald Haselsteiner fest, der im Auftrag der Stadt Mannheim ein Fachgutachten zu Möglichkeiten einer baumerhaltenden Lösung  erstellte, also auch die Ingenieure Christian Schmidt und Dr. Lothar Wessolly, die im Auftrag der Bürger-Interessen-Gemeinschaft (BIG) Lindenhof Machbarkeitsstudien erarbeiteten.


Lesen Sie dazu den Artikel „Wie real ist die Hochwassergefahr wirklich?" in Lindenhof aktuell.


Dass das das RP unseres Erachtens bewusst die Ängste, vor allem in der Neckarauer Bevölkerung, schürt, wird unter anderem in einem Beitrag des ZDF deutlich.

„Sonst kommt es zu einer Katastrophe wie an Elbe und Oder."


Vor allem hat das RP nach unserer Auffassung die besonderen örtlichen Gegebenheiten nicht hinreichend berücksichtigt – was die DIN 19712 ausdrücklich vorsieht. Stattdessen hat die die Landesbehörde immer wieder  pauschal auf die Hochwasser an Elbe und Oder verwiesen. Die Situation bei uns in Mannheim jedoch eine komplett andere.


Hier zwischen Damm und Rhein liegen teils 1,5 Kilometer breiter Auwald. Dieser nimmt Wassermassen auf wie ein Schwamm und verringert die Fließgeschwindigkeit. Dadurch ist der Rhein bei uns im Hochwasserfall fast wie ein still ruhender See am Damm, gefährdet diesen also nicht, wie das RP behauptet.


Auch der Mannheimer SPD-Landtagsabgeordnete Dr. Boris Weirauch wundert sich, warum das Land und das RP immer wieder auf die Hochwasser von Elbe und Oder verweisen. Das wären ja alles klassische Erddämme.

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