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Newsletter vom 24.01.2023

Jan. 24, 2023

Bekannteste deutsche Umweltjuristin unterstützt uns – Derzeitige Planung ist nicht genehmigungsfähig

Übergabe der Stellungnahmen und Einwendungen von Mannheimer Umwelt-und Naturschutzvereinen und-verbänden an Umweltbürgermeisterin Prof. Dr. Diana Pretzell (Bildmitte) am 17.01.2023 vor dem Ratssaal im Stadthaus N1, Mannheim (Foto: Liv Meiners)


Liebe Freundinnen und Freunde des Waldparks,


heute haben wir viele gute Nachrichten:


  • Die renommierte Umweltrechtsanwältin Roda Verheyen vertritt unsere Initiative Waldpark.
  • Mehrere Umwelt- und Naturschutzvereine lehnen das Vorhaben in der geplanten Form ab.
  • Die Stadt Mannheim fordert eine Anpassung des vorgesehenen Plans.
  • Insgesamt mehr als 5.000 Menschen haben Einwendungen erhoben.


Und haben noch einiges mehr zu berichten.


Geplante Sanierungsvariante „schlicht rechtswidrig“

Ein Meilenstein: Bei unseren Einwendungen haben wir ein hocherfahrenes Anwaltsteam an unserer Seite. Dr. Roda Verheyen – laut Spiegel Deutschlands bekannteste Umweltrechtsanwältin – vertritt unsere Initiative zusammen mit ihrem Kollegen André Horenburg.


Verheyen erreichte im März 2021 vor dem Bundesverfassungsgericht das historische Urteil zum deutschen Klimaschutzgesetz. „Damit wurde höchstrichterlich entschieden: Klimaschutz ist Menschenrecht. Politiker und Behörden dürfen nicht wissentlich und fahrlässig künftige Generationen benachteiligen“, betont die Juristin.


Die Planung des Regierungspräsidiums (RP) Karlsruhe verstößt gegen absolute Vorschriften des Naturschutzrechts, so die Partner der renommierten Hamburger Kanzlei Günther. Die Antragsunterlagen enthalten zudem gravierende Mängel. „Die Behörde hat relevante Alternativen, die sie zwingend hätte prüfen müssen, nicht untersucht beziehungsweise ausgeschlossen. Die gewählte Variante ist schlicht rechtswidrig“, sagt Verheyen.


„Hochwasserschutz ist zwingend erforderlich, auch rechtlich gesehen“, ergänzt Horenburg: „Allerdings sind für die Anpassung an die Folgen des Klimawandels gleichzeitig auch Wälder in städtischen Räumen sowie als natürliche CO2-Senken zu erhalten.“


Das Fazit der beiden Rechtsanwälte: Die derzeitige Planung ist nicht genehmigungsfähig und muss überarbeitet werden. Ziel der Überarbeitung muss im Hinblick auf die zwingenden Rechtsvorschriften unter anderem von Gebiets- und Artenschutz sein, die Eingriffe in den Wald soweit wie möglich zu minimieren.



In der Einwendung, die sie formuliert haben, wird deswegen beantragt, die gerügten Mängel zu beheben und eine erneute Öffentlichkeitsbeteiligung durchzuführen.


Starke Schützenhilfe aus Rheinstetten

Der ehemalige, langjährige Baubürgermeister von Rheinstetten und promovierte Wasserbau-Ingenieur Bertold Treiber findet zum Antrag ebenso klare Worte und stellt fest: „Je früher die Planfeststellungsbehörde dem Vorhabenträger mitteilt, dass seine Antragsplanung nicht genehmigungsfähig ist und ihn zur Überarbeitung der Antragsunterlagen auffordert, umso früher ist der dringend erforderliche Hochwasserschutz realisierbar.“ Die fundierten Anmerkungen von Dr. Ing. Treiber sind ebenfalls Bestandteil der Einwendungen unserer Initiative.


Darüber hinaus hat die Bürgerinitiative für eine verträgliche Retention im Paminaraum e.V. (kurz: BI Paminaraum) – in der unsere Initiative Waldpark Mitglied ist – eine Einwendung gegen den Plan zur Dammertüchtigung in Mannheim erhoben. Wir freuen uns sehr über diese wertvolle Unterstützung.


Interessant zu wissen: In Rheinstetten klagen sowohl die Stadt als auch BI Paminaraum vor dem Verwaltungsgerichtshof (VGH), Mannheim, gegen den Planfeststellungsbeschluss zum Rückhalteraum Bellenkopf/Rappenwört. Ein Teil der Klage richtet sich gegen die geplante Sanierung des dortigen Hochwasserdamms nach dem baden-württembergischen Regelprofil mit baumfreien Zonen, das laut Antrag bekanntlich auch bei uns in Mannheim zum Tragen kommen soll.


Treiber, der verschiedene Gemeinden und Bürgerinitiativen bei Hochwasserschutzprojekten berät, hat maßgeblichen Anteil an der Klage der Stadt. Mit der Entscheidung des VGH wird in den kommenden Monaten gerechnet.


Umwelt- und Naturschutzvereine machen gemeinsam Front

Außerdem begrüßen wir es sehr, dass etliche Mannheimer Vereine und Verbände das Vorhaben des Landes in der geplanten Form ablehnen. So fordert das Umweltforum Mannheimer Agenda 21 e.V. – ein Zusammenschluss von 16 Mannheimer Umwelt-, Naturschutz- und Verkehrsverbänden – eine umfassende Nachbesserung der aktuellen Planungen.


„Hochwasserschutz ist ein hohes Gut. Das Umweltforum erkennt grundsätzlich die Dammsanierung an […], ist aber entsetzt über den Umfang der geplanten Eingriffe und der geringen Würdigung von Eingriffsminimierungen bei der Alternativenprüfung“, heißt es in der kritischen und beachtenswerten Stellungnahme des Umweltforums.


Am 17.01.2023 überreichten Vertreterinnen und Vertreter des Dachverbands sowie der klageberechtigten Verbände BUND und NABU, der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald, zudem der Initiative Waldpark Mannheim, der Bürger-Interessen-Gemeinschaft (BIG) Lindenhof und der Lokalen Agenda 21 Neckarau ihre jeweiligen Stellungnahmen bzw. Einwendungen an Umweltbürgermeisterin Prof. Dr. Diana Pretzell. Die regionale Presse war vor Ort. Ausführlich berichtete unter anderem der rnf am 18.01.2023.


Stadt Mannheim wehrt sich gegen Planung

Die Übergabe an die Bürgermeisterin fand vor dem Ratssaal im Stadthaus N1 statt. In der anschließenden öffentlichen Ausschuss-Sitzung des Gemeinderats stellte Pretzell als zuständige Umweltdezernentin das Einwendungsschreiben der Stadt Mannheim zur Rheindammsanierung zur Abstimmung.


Mit ihrer Einwendung positioniert sich die Stadt – in ihrer Rolle als Trägerin öffentlicher Belange (TöB) – unerwartet eindeutig. Sie sieht sich in ihrer Planungshoheit verletzt. In ihrer Pressemitteilung vom 19.01.2023 führt sie dazu aus: „Die vorgesehene Planung greift nachhaltig sowohl in die Klimaschutz- und Klimafolgenanpassungsplanung als auch in die Waldnutzungsplanung der Stadt Mannheim ein.“ Darüber hinaus gebe es eine baumschonende alternative Sanierungsmethode. Aus Sicht der Stadt sei daher eine Anpassung des Plans unerlässlich.


Wer hätte das gedacht? Lange Zeit hatten Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz und die frühere Umweltbürgermeisterin Felicitas Kubala die naturschädigende Sanierungsmethode als „alternativlos“ bezeichnet. Bereits ab Mai 2018 forderten zehntausende Bürgerinnen und Bürgern in einer Petition der BIG an den OB ein Gutachten zur Prüfung einer alternativen Lösung. Doch erst 2021 gab die Verwaltung ein solches Gutachten bei Dr. Ronald Haselsteiner in Auftrag – unter dem wachsenden Druck der Öffentlichkeit, zu dem unsere Initiative Waldpark maßgeblich beigetragen hat.


Die Stadträte beschlossen die Einwendungen der Stadt am 17.01. einstimmig.


Der Kahlschlag droht weiterhin

Die Bäume im Waldpark sind damit aber noch längst nicht gerettet. Als TöB (also als Vertreterin der Interessen ihrer Bürgerinnen und Bürger) hat die Stadt (konkret: der Eigenbetrieb Stadtraumservice) ihre Einwendungen zusammen mit dem Fachgutachten von Dr. Ronald Haselsteiner an die (ebenfalls bei der Stadt angesiedelte) Untere Wasserbehörde geleitet.


Als Planfeststellungsbehörde hat diese die Aufgabe, alle Sachverhalte zu prüfen, alle Belange abzuwägen und dabei mögliche Alternativen zu berücksichtigen. Am Ende hat sie folgende Optionen: Sie kann den Planfeststellungsbeschluss erlassen (sprich, die Baugenehmigung für den neuen Erddamm erteilen), den Plan unter Auflagen genehmigen oder den Antrag ablehnen.


Von diesem letzten Schritt im Verfahren sind wir weit entfernt. Als nächste Etappe steht die Erörterung aller Einwendungen und Stellungnahmen an. Diese wird laut Pretzell frühestens im Herbst 2023 stattfinden.

Dass sich das Land bzw. das RP bewegt, halten wir für unwahrscheinlich. Die Kernfragen bleiben: Wird sich die Stadt (als Planfeststellungsbehörde) gegen das Land stellen? Wird die Stadt (als TöB) bei einem ungünstigen Planfeststellungsbeschluss Klage erheben?


Ein „Freibrief“ für den künftigen OB zur Klageerhebung?

Hochinteressant ist in diesem Zusammenhang ein weiterer Punkt, der dem gemeinderätlichen Ausschuss am 17.01. zum Beschluss vorgelegt wurde. „Dem Oberbürgermeister wird die Zuständigkeit übertragen, nach Erlass des Planfeststellungsbeschlusses über die Erhebung einer Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss zu entscheiden und diese Entscheidung zu vollziehen.“


Dieser Antrag wurde allerdings in die nächste Gemeinderatssitzung am 07.02.2023 vertagt. Auf das Abstimmungsergebnis sind wir gespannt. Wird der Gemeinderat bereits heute den OB dazu ermächtigen, über die Erhebung einer Klage gegen dieses Jahrhundert-Projekt in Mannheim alleine zu entscheiden? Zumal der künftige OB noch nicht einmal feststeht, geschweige denn alle OB-Kandidaten.


Wir sind äußerst dankbar für die vielfältige Unterstützung

An die Verantwortlichen im Land und in unserer Stadt haben viele Menschen nun ein weiteres klares Signal gesendet. Über 5.000 Menschen haben mit ihren Einwendungen ihren Protest gegen die Kahlschlag-Pläne ausgedrückt.


Wir freuen uns sehr, dass sich unser enormer Aufwand gelohnt hat. Weit mehr als 5.000 Mustereinwendungen hat unsere Initiative allein in Briefkästen verteilt. Während der Einwendungsfrist wurde fast 11.000-mal auf unsere Internetseite „Einwendungen erheben“ zugegriffen. Allen, die mit uns Argumente gesammelt, Einwendungen geschrieben und weitere Bürgerinnen und Bürger dazu bewegt haben, danken wir herzlich.


Wir sind überwältigt von den Spenden an unsere Initiative im vergangenen Jahr. Auch für Spenden von 5 oder 10 Euro sind wir dankbar und oft auch gerührt – besonders, wenn wir wissen, dass die Spendenden mit vergleichsweise geringen finanziellen Mitteln ausgestattet sind.


Unser großer Dank geht auch an alle, die sich darüber hinaus in vielfältige Weise gemeinsam mit uns für eine sinnvolle Lösung einsetzen. Das bestärkt uns, trotz der Anstrengungen weiterzukämpfen.


Vor uns liegt noch ein langer Weg. Dass uns Roda Verheyen und André Horenburg beim Einsatz gegen die Rodungen am Rheindamm unterstützen, freut uns riesig. Denn notfalls muss die baumerhaltende Hochwasserschutz-Lösung eingeklagt werden. Mit der Kanzlei Günther sind wir hierfür bestens vorbereitet. 



Herzliche Grüße


Sabine Jinschek   Michael Detmer

Initiative Waldpark Mannheim e.V.

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