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Newsletter vom 11.11.2022

Nov. 11, 2022

Keine Entwarnung: Noch ist alles offen 

Liebe Freundinnen und Freunde des Waldparks,


Hochwasserschutz mit Baumerhalt ist auch bei uns am Rheindamm machbar! Das belegt das Fachgutachten von Dr. Ronald Haselsteiner. Zugleich deckt der renommierte Deichexperte in seiner Stellungnahme eklatante Schwachstellen in den Planungen des Regierungspräsidiums (RP) auf. Damit hat er uns allen einen wertvollen Fundus an Argumenten geliefert.


Die großen Fragen lauten jedoch immer noch: Wie (re)agiert die Stadt Mannheim? Was macht das Land Baden-Württemberg als Träger des Vorhabens? Der Ausgang des Planfeststellungsverfahrens ist weiterhin vollkommen offen. So müssen wir nach wie vor davon ausgehen, dass der Kahlschlag im Waldpark kommen könnte. Daher es ist es unverändert wichtig, Einwendungen zu schreiben.


Mitstreiter unserer Initiative Waldpark Mannheim e.V. vor dem Ratssaal anlässlich der Vorstellung des Haselsteiner-Gutachtens (Foto: SWR)


Haselsteiner-Gutachten: Bis zu 90 Prozent der Bäume könnten erhalten werden

Unzählige Praxisbeispiele zeigen: Ein sicherer, naturverträglicher Hochwasserschutz lässt sich durch die Einbringung einer durchgehenden statisch wirksamen Spundwand in den bestehenden Damm gewährleisten. Dass diese Lösung auch bei uns am Rheindamm in Mannheim möglich ist, ergab 2019 eine Machbarkeitsuntersuchung.


Das untermauert jetzt Haselsteiner in seinem Fachgutachten. Am 8. November hat er dieses im Ausschuss für Umwelt und Technik der Stadt Mannheim vorgestellt. (Seine Präsentation sowie die Sitzung sind auf unserer Internetseite Aktuelles abruf- bzw. einsehbar.)


Bis zu 90 Prozent der Bäume könnten nach Einschätzung von Haselsteiner erhalten werden. Sprich: TAUSENDE Bäume würden bleiben. In den Medien wird immer wieder fälschlicherweise berichtet, dass nach den Plänen des RP nur 1.000 Bäume bedroht sind.


Die Bäume rechts an der Allee zählen zu den 435 aufgelisteten Bäumen, laut RP zu fällen sind. (Die Tausende anderen im Waldpark wurden weder gezählt noch geschätzt.)


RP beziffert nur einen Bruchteil des geplanten Kahlschlags

Einige Bürger meinen seit der Offenlage, das RP wolle nur hunderte Bäume fällen. Das legt der Bericht zur Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) nahe. „Insgesamt wurden im Vorhabenbereich 435 Bäume erfasst. Hiervon sind 293 Bäume gemäß Baumschutzsatzung geschützt und müssen vorhabenbedingt gefällt werden“, heißt es dort auf Seite 194.


Hierzu muss man wissen: Über die Baumschutzsatzung sind in Mannheim grundsätzlich alle Bäume mit einem Stammumfang von mehr als 60 Zentimetern geschützt. Für deren Fällung, die nur in Ausnahmefällen möglich ist, muss eine Erlaubnis beantragt werden. Das hat das RP gemacht. Die 435 Bäume sind auf den Seiten 373ff. des UVP-Berichts aufgelistet. Außerdem sind sie auf den Lageplänen „Baumschutzsatzung Nord“ und „Baumschutzsatzung Süd“ gekennzeichnet. Aus den Karten wird ersichtlich: Im Wesentlichen handelt es sich um Bäume auf dem Lindenhof am Damm entlang der Wohnbebauung sowie beim Großkraftwerk in Neckarau.


Nicht auf den Lageplänen gekennzeichnet sind absurderweise all die vielen Bäume, die zum Waldpark gehören. Denn die Mannheimer Baumschutzsatzung gilt nicht für Bäume, die als Naturdenkmale geschützt sind oder die in Naturschutzgebieten oder Landschaftsschutzgebieten unter besonderem Schutz stehen. Und der Waldpark ist Landschaftsschutzgebiet (und teils Naturschutzgebiet).


Dass dieser Schutzstatus nicht wirklich schützt – ebenso wenig wie die höheren Schutzkategorien FFH- oder Natura 2000-Gebiet – zeigt aktuell in Mannheim die Zerstörung des Landschaftsschutzgebiets Feudenheimer Au auf Kosten der BUGA 23. Aber das ist ein anderes Thema.


Auch in den weiteren Antragsunterlagen macht das RP keine Angaben dazu, wie viele Bäume es insgesamt roden will. Nicht mal einen Schätzwert nennt die Landesbehörde.


Planungslücken und Schwachstellen en masse

Auch sonst weist der Plan zahlreiche Lücken auf – alles Ansatzpunkte für Einwendungen! Haselsteiners gutachterliche Stellungnahme ist auch in dieser Hinsicht überaus wertvoll. Denn der langjährig erfahrene Wasserbau-Ingenieur weist darin auf etliche Defizite, Widersprüche und andere Mängel des Plans hin. „Nach Auffassung des Gutachters fehlen bei der Zusammenstellung der Planungsgrundsätze […] wichtige Punkte bzw. deren durchgehende Benennung“, führt Haselsteiner zum Beispiel auf Seite 84 seines Gutachtens an. Auch wurden „Randbedingungen, wie z. B. Klimawandel, Nachhaltigkeit, Bauwerksresilienz, Hochwassergeschehen und Vorhersagezeiträume, etc. […] nicht explizit diskutiert“.


Viele essenzielle Informationen will die Landesbehörde erst im Rahmen der Bauausführung nachreichen. Dazu gehört unter anderem das Besucherlenkungskonzept zur Nutzbarkeit und Erreichbarkeit des Waldparks.



 Bürgermeister Christian Specht (li.) rechnet mit schätzungsweise insgesamt 180.000 Lkw-Fahrten


Verharmlosung erheblicher Belastungen

Wie erheblich die Beeinträchtigungen durch Lärm, Feinstaub und Erschütterungen sein werden, das verharmlosen und verschleiern die Planer aus Karlsruhe. So ist im Erläuterungsbericht zur technischen Planung, Seite 57, zur Lärmbelästigung zu lesen: „Betroffen sind daher nur die Wohngebiete am nördlichen Ende der Schwarzwaldstraße, im besiedelten Teil der Rheingoldstraße sowie am Neckarauer Waldweg. Die Lärmemissionen treten selten und kurzzeitig bei Vorbeifahren der entsprechenden Fahrzeuge auf.


Wie passt das zusammen mit schätzungsweise bis zu 30.000 Lkw-Fahrten je Bauabschnitt, von denen der Erste Bürgermeister Mannheims Christian Specht ausgeht? Das wären bei sechs Bauabschnitten insgesamt rund 180.000 Lkw-Fahrten! Der Dezernent für Feuerwehr und Katastrophenschutz der Stadt informierte am 5. November auf einer Veranstaltung der CDU Mannheim am Rheindamm über wichtige Themen wie den vom RP geplanten Deichverteidigungsweg, die Möglichkeiten der Bürger, Einwendungen zu erheben, und die Rolle der Stadt Mannheim im Verfahren.



Der Arbeitskreis Einwendungen unserer Initiative bei der Vorbereitung von Musterbriefen


Schreiben Sie Einwendungen – jetzt erst recht!

Die wegweisende fachliche Beurteilung Haselsteiners ist ein Teilerfolg. Nicht mehr und nicht weniger.

Die Stadt will das Fachgutachten zusammen mit ihrer Stellungnahme als Trägerin öffentlicher Belange bei der Unteren Wasserbehörde einreichen. Diese kann als Genehmigungsbehörde die Planung entweder ablehnen oder genehmigen oder mit Auflagen beschließen oder Nachbesserungen vom RP fordern.


Wie unzählige Planfeststellungsverfahren zeigen, gerade im Bereich des Hochwasserschutzes, muss oft der Klageweg beschritten werden. Der baumfreie Erddamm droht deshalb weiter. Nach wie vor müssen wir befürchten, dass wir nicht den sichersten Hochwasserschutz bekommen und dass im Waldpark großflächig gerodet wird.


Stand 9. November waren 105 Einwendungen bei der Stadt eingegangen. Was wäre das für ein Signal an die Stadt, wenn es am 21. Dezember nicht viel mehr wären! Wir Bürgerinnen und Bürger müssen weiterhin Druck auf die Verantwortlichen ausüben.


Informationen und Formulierungshilfen finden Sie auf unserer Internetseite Einwendungen erheben. In den nächsten Wochen gibt es Mustereinwendungen. Unser Arbeitskreis Einwendungen arbeitet intensiv daran. In unserem nächsten Newsletter geben wir Ihnen dazu Bescheid.


Herzliche Grüße


Sabine Jinschek   Michael Detmer

Initiative Waldpark Mannheim e.V.


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